Heinz Rudolf Kunze

Wunderkinder

Heinz Rudolf Kunze


Als wir klein warn, war das Allermeiste sonnenklar
unsre Mutter war die beste, unser Vater war ein Star
beide hatten mit den eignen Händen Deutschland aufgebaut
und das wurde dann von Gastarbeitern Stück für Stück versaut

Ja, die Russen waren böse und die Amis waren gut
insgeheim war man noch Nazi, doch da fehlte bißchen Mut
aber letzlich waren solche Fragen allen scheißegal
denn am Ende jedes Monats stand die fette schwarze Zahl

Wir sind die Wunderkinder
wir sind die Wunderkinder

Als sie Vietnam verbrannten, warn wir in der Pubertät
nichts war wichtiger für uns als was in der BRAVO steht
als sie Panzer und Kanonen parkten rundherum um Prag
war nur der ein wahrer Freund für uns, der Beckenbauer mag

Plötzlich wehte um die Nase neuer Wind mit Namen Brandt
Vater Mutter und die Lehrer schrien: Der muß an die Wand
doch sein kleines bißchen Feuer wurde ziemlich schnell erstickt
Bananenrepublik - vernagelt und geflickt

Wir sind die Wunderkinder
wir fall'n immer auf die Füße - nur wer Schuld hat, steht im Dreck
wir sind die Wunderkinder
aber jemand zieht den Boden unter unsern Füßen weg

Heute wird in unsern Reihen junges Deutschland nachgeborn
Vater hat mit 55 seinen Arbeitsplatz verlorn
Mutter träumt sie wäre 20 und sie finge nochmal an
und sie kriegte jetzt tatsächlich ihren Cowboy als Mann

In den Mehrzweckhallen ahnt man: Es hat alles keinen Zweck
die Pastoren in den leeren Kirchen wünschen sich weit weg
unser Kanzler braucht Soldaten weiß von nichts und wird verklagt
unser Deo und der ganze alte Zauber hat versagt

Wir sind die Wunderkinder
wir haben unser Leben lang das Leben angestaunt
wir sind die Wunderkinder
auf Kosten weit Entfernter gut genährt und gut gelaunt
wir sind die Wunderkinder
wir haben kein Zuhause mehr, die Nächte werden kalt
wir sind die Wunderkinder
wir werden auch viel schneller als die andern Kinder alt