Reinhard Mey

Neulich In Der Dessous-Abteilung

Reinhard Mey


Tom: Am

    C              E             A
Als gelernter Kavalier der alten Schule begleit‘
          Dm              A             Dm
ich meine Frau ins grosse Warenhaus von Zeit zu Zeit,
         F                    G             C      E   Am
und dann drück‘ ich mich auch nicht vor so heiklen Missionen
        D                      G
wie dem Stöbern in diversen Dessous-Kollektionen.
    F           G                     C   E       Am
Ich folge ihr diskret durch Schlüpfer und durch Mieder,
        D                              G
und ich schlag‘ verwirrt errötend die Augen nieder.
       F                      C
In der Dessous-Abteilung, das spürst du beklommen,
             Ab                               G
wirst du als Mann noch immer nicht so richtig angenommen.
 F                G              C       A     D
Natürlich bin ich aufgeklärt und schwer emanzipiert,
             F                  C              F  G   C    G
und trotzdem fühlst du dich als Kerl irgendwie deplaziert.


[Verse 2]
         C       E             A
Und auch diesmal gerät der Damenunterwäschekauf
             Dm            A         Dm
für mich als Mitläufer zum reinsten Spiessrutenlauf.
         F               G             C      E   Am
Zwischen Hüfthaltern und Leibchen und Feinstrumpfhosen
    D                         G
auf langen Plexiglasbeinen in merkwürdigen Posen,
         F                 G            E       Am
zwischen Stützkorsetts auf kopflosen Plastikrümpfen,
        D                              G
Sloggys und French Knickers auf gespreizten Körperstümpfen,
  F                        C
vorbei am Unterleib mit abgetrenntem Schenkel,
          Ab                               G
der einen Tanga trägt, nein, eigentlich mehr einen Schnürsenkel,
 F                G              C       A     D
bis zum liegenden Torso, der, Glitzerbody-bedeckt,
    F                     C           F  G   C    G
dem Betrachter gleich das Himmelreich entgegenstreckt.


[Verse 3]
            C       E             A
Und mich ergreifen Entsetzen und Mitgefühl zugleich:
            Dm          A                    Dm
Das muss ja schrecklich kneifen, da ist doch alles zart und weich!
     F                     G              C      E   Am
Und erzähl mir nicht, dass diese winzigen sauteuren Strings
  D                       G
nicht ganz gewaltig in der Porille scheuern!
        F               G             E           Am
Und die Druckknöpfe und Haken, die an keinem Body fehlen,
            D                        G
graben doch tiefe Kerben in die Familienjuwelen!
        F                                  C
Und ich denk‘ bei mir: Wie locker, luftig, frei und lose
           Ab                             G
hat‘s mein Südpol in meiner zeltähnlichen Feinripphose!
 F                G              C       A     D
Und zu welcher Folter ihr euch Frau‘n versklaven lasst,
             F         C              F  G   C    G
nur weil es einem triebgestörten Modemacher passt!


[Verse 4]
            C              E       A
Während ich noch über das Los der Frauen meditier‘,
    Dm              A             Dm
Ist meine plötzlich weg, ich steh‘ allein im Revier.
      F             G             C      E         Am
Jetzt bin ich ganz verlor‘n, ich fang‘ nervös an zu zucken,
     D                           G
mein Blick eilt starr umher, nur wohin soll ich jetzt gucken?
            F          G         E            Am
Seh‘ ich zu Boden, zur Decke mit unschuldiger Miene?
     D                       G
Oder aus dem Augenwinkel zur Umkleidekabine?
          F                         C
Guck‘ ich auf die Busen oder besser auf die Zwickel?
 Ab                               G
Egal wohin, gleich ha‘m sie mich als Spanner am Wickel!
 F                G              C       A     D
Und ich spür‘, wie sich böse Blicke in meinen Rücken bohr‘n:
             F          C              F  G   C    G
Was hat der alte, geile Sacke in den Dessous verlor‘n?!


[Verse 5]
   C           E              A
In Panik bahne ich mir meinen Weg durch die Push-Ups,
   Dm                 A             Dm
versteck‘ mich hinter Nachthemden, verhedder‘ mich in Straps,
      F           G             C   E                Am
suche Halt in den BHs, die schon leer so ausseh‘n wie volle,
    D                                G
ich strauch‘le - die Situation gerät ganz ausser Kontrolle:
      F                 G             E            Am
Schon tritt ein spitzer Stöckelabsatz mich hinterlistig,
        D                                    G
und ein Schirm saust auf mich nieder: Ey, du Wichser, verpiss dich!
     F                                C
Also eh‘ ich mich hier von den Furien lynchen lasse,
           Ab                           G
flücht‘ ich mit erhob‘nen Händen zu der Frau hinter der Kasse!
 F                G              C       A     D
Ich erklär‘ ihr meinen Fall, sie lächelt mütterlich,
         F        C                      F  G   D
Flüstert was ins Telefon, und kurz drauf höre ich:

[Outro]
[gesprochen keine Musik]
D
Der kleine, grauhaarige Reinhard hat sich in unserer
D
Damen-Unterwäsche-Abteilung angefunden. Er ist etwa 60 Jahre alt
D
und möchte jetzt an der Kasse im Ladies-World aus dem Dessous-Paradies
D
abgeholt werden!