Klaus Hoffmann

Ballade von den Seeräubern

Klaus Hoffmann


Von Branntwein toll und Finsternissen 
Von unerhörten Güssen naß 
Vom Frost eisweißer Nacht zerrissen 
Im Mastkorb, von Gesichtern blaß 
Von Sonne nackt gebrannt und krank 
Die hatten sie im Winter lieb 
Aus Hunger, Fieber und Gestank 
Sang alles, was noch übrigblieb 
0h Himmel, strahlender Azur 
Enormer Wind, die Segel bläh 
Laßt Wind und Himmel fahren nur 
Laßt uns um Sankt Marie die See 
Kein Weizenfeld mit milden Winden 
Selbst keine Schenke mit Musik 
Kein Tanz mit Weibern und Absinthen 
Kein Kartenspiel hielt sie zurück 
Sie hatten vor dem Knall das Zanken 
Vor Mitternacht die Weiber satt 
Sie lieben nur verfaulte Planken 
Ihr Schiff, das keine Heimat hat 
0h Himmel, strahlender Azur 
Mit seinen Ratten, seinen Löchern 
Mit seiner Pest, mit Haut und Haar 
Sie fluchten wüst darauf beim Bechern 
Und liebten es, so wie es war 
Sie knoten sich mit ihren Haaren 
Im Sturm in seinem Mastwerk fest 
Sie würden nur zum Himmel fahren 
Wenn man dort Schiffe fahren läßt 
0h Himmel, strahlender Azur 
Enormer Wind, die Segel bläh 
Laßt Wind und Himmel fahren nur 
Laßt uns um Sankt Marie die See 

Sie morden kalt und ohne Hassen 
Was ihnen in die Zähne springt 
Sie würgen Gurgeln so gelassen 
Wie man ein Tau ins Mastwerk schlingt 
Sie trinken Sprit bei Leichenwachen 
Nachts torkeln trunken sie in See 
Und die, die übrigbleiben, lachen 
Und winken mit der kleinen Zeh 

0h Himmel, strahlender Azur 
Sie tragen ihren Bauch zum Fressen 
Auf fremde Schiffe wie nach Haus 
Und strecken selig im Vergessen 
Ihn auf die fremden Frauen aus 
Sie leben schön wie noble Tiere 
Im weichen Wind, im trunknen Blau 
Und oft besteigen sieben Stiere 
Eine geraubte fremde Frau 

0h Himmel, strahlender Azur 
Enormer Wind, die Segel bläh 
Laßt Wind und Himmel fahren nur 
Laßt uns um Sankt Marie die See 

Doch eines Abends im Aprile 
Der keine Sterne für sie hat 
Hat sie das Meer in aller Stille 
Auf einmal plötzlich selber satt 
Sie merken noch, wie voll Erbarmen 
Der Wind mit ihnen heute wacht 
Dann nimmt das Meer sie in die Arme 
Und tötet sie vor Mitternacht 

0h Himmel, strahlender Azur 
Enormer Wind, die Segel bläh 
Laßt Wind und Himmel fahren nur 
Laßt uns um Sankt Marie die See 

Noch einmal schmeißt die letzte Welle 
Zum Himmel das verfluchte Schiff 
Und da, in ihrer letzten Helle 
Erkennen sie das große Riff 
Und ganz zuletzt in höchsten Masten 
War es, weil Sturm so gar laut schrie 
Als ob sie, die zur Hölle rasten 
Noch einmal sangen, laut wie nie 
0h Himmel, strahlender Azur 
Enormer Wind, die Segel bläh 

Laßt Wind und Himmel fahren nur 
Laßt uns um Sankt Marie die See